Musik in St. Augustinus

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Musikkritiker Gerd Bösenberg meint:

Chor- und Orgelmusik in St. Augustinus

Am Sonnabend, dem 3. Juli, war innerhalb der Reihe "Musik in St. Augustinus" nach einer etwas längeren Pause wieder ein Konzert zu hören mit ausgesuchten Titeln aus der Chor- und Orgelliteratur.
 
Seit geraumer Zeit bahnt sich eine engere Zusammenarbeit zwischen der "Konzertreihe" und der Hochschule für Musik und Theater Hannover an.
Die hervorragende Lobback-Orgel wird von der Hochschule gern genutzt, der Hochschulchor ist von der ausgezeichneten Akustik des Kirchenraumes angetan.

So traten diesmal das Kammerensemble des Hochschulchores unter Leitung von Sebastian Grünberg und Raphaela Martens auf. An der Orgel war Ansgar Schlei, Bad Münder, zu hören, der gerade seine Ausbildung (A) bei Prof. Pier Daminno Peretti beendet.

Chor-Ensemble
Chor-Ensemble auf der Empore der St. Augustinuskirche

Schlei eröffnete das Konzert mit der Toccata Nr.1 des süddeutschen Barock-Komponisten Georg Muffat, der sich der Kammerchor der Hochschule anschloss mit einem Lobgesang Mariens, dem Magnificat nach Lucas 1/46-55 von Johann Pachelbel.
Unter Leitung von Sebastian Grünberg glänzte das Ensemble mit einem ungewöhnlich schönen Chorklang bei präziser Intonation, die diese barocke Komposition erfordert.
Unter Grünbergs Leitung war später noch vom Meister des englischen Madrigals, Williem Byrd, ein lupenreines "Ave verum corpus" zu hören.

Dann übernahm Raphaela Martens den Taktstock für Kyrie und Gloria aus Robert Schumanns "Missa sacra" op. 147 in der Fassung mit Orgel. Auch hier war der Chor ganz auf der Höhe und spürte den emotionalen Stimmungsschwankungen in Schumanns später Musik behutsam nach.
Ansgar Schlei spielte ein kurzes Ricercare von György Ligeti (geb. 1923), bevor er sich die mächtige 1. Orgelsonate f-moll op.65/1 von Felix Mendelssohn - Bartholdy vornahm. Die Schwieriqkeiten in der Uberlagerung von leisen und lauten Klingen bei dialogischen Manualwechseln meisterte er vortrefflich.

Leider warteten die Zuhörer auf des Attaca-Finale als brillanten Schluss vergeblich. Dennoch führte Schlei. das Konzert mit der romantischen Musik Mendelssohn zu einem schönen Übergang zu Schumanns "Missa sacra" als Schlusspunkt.

Gerd Bösenberg

Konzert in St. Augustinus Hannover
Chor-Ensemble der Hochschule für Musik und Theater Hannover

Programm:


• Georg Muffat (1653-1704)
aus "Apparatus musico-organisticus" (1690)
Toccata prima
• Johann Pachelbel (1653-1706)
Magnificat (nach Luk. I, 46-55)
• György Ligeti (*1923)
Ricercare per organo (Hommàge à Frescobaldi) (1953)
• William Byrd (1542/3-1623)
aus Gradualia I (1605)
Ave verum corpus
• Felix Mendelssohn-Bartholdy (1809-1847) Sonate f-moll op. 65/I (1844)
• Robert Schumann (1810-1856)
aus "Missa sacra" op. 147 (Orgelfassung von 1853):
Kyrie
Gloria

Georg Muffat (1653-1704): Toccata prima


Trotz seiner schottischen Vorfahren gilt Georg Muffat heute als der bedeutendste süddeutsche Komponist der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Zudem war er der erste, dem es gelang, die damals vorherrschenden französischen und italienischen Musikstile zu einer Synthese im Sinne des "vermischten Geschmacks" zusammenzuführen, dessen eigentliche Verbreitung erst im zweiten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts einsetzte.
Muffats einzige Orgelkompositionen sind in dem von ihm selbst editierten Druck "Apparatus musico organisticus" erhalten, der 1690 in Salzburg herauskam. Dort finden sich insgesamt 12 Toccaten für Orgel.
Die Toccata prima ist stilistisch die älteste Toccata dieser Sammlung. Sie entspricht im Kern dem Modell einer Toccata Joh. Frobergers und Joh. K. Kerrls.
Kompositionstechnisch und formal repräsentieren die Toccaten Muffats zusammen mit denen Dietrich Buxtehudes die bedeutendste freie Orgelmusik im deutschen Sprachraum des ausgehenden 17. Jahrhunderts. Ansgar Schlei

Johann Pachelbel (1653-1706): Magnificat


Der Barockorganist Johann Pachelbel wurde in Süddeutschland geboren, aber verbrachte einen Grossteil seiner Karriere in Mitteldeutschland. Er studierte in Nürnberg, Altdorf und Regensburg, bevor er 1674 Organist an der St. Stephen's Kathedrale in Wien wurde. 1677 kam er als Hoforganist nach Eisenach zurück. Ein Jahr später übernahm die Organistenstelle an der Predigerkirche in Erfurt, wo er 12 Jahre weiterwirkte. Später arbeitete er an den Höfen von Stuttgart (1690), Gotha (1692) bevor er 1695 als Organist von St. Sebald's an seiner Heimatstadt zurückkehrte. aus dem Englischen

György Ligeti (*1923): Ricercare pro organo - Hommàge à Frescobaldi


György Ligeti arbeitete nach seinem Musikstudium als Dozent für Tonsatz an der Musikhochschule Budapest. 1956 flüchtete er in den Westen, wo er sofort Kontakt zu den Zentren der Neuen Musik bekam. Zu Beginn der 1960er Jahre wurde er durch einige Kompositionen schlagartig bekannt. Seitdem wurde Ligeti wie kaum ein anderer zeitgenössischer Komponist mit internationalen Preisen und Auszeichnungen bedacht.
Das Ricercare pro Organo - entstanden 1953 - gilt als Frühwerk Ligetis. Es trägt den Untertitel "Hommàge à Frescobaldi". Die erste Fassung von "Ricercare" für Orgel geht auf das gleichnamige Stück, das György Ligeti 1953 in seinem Heimatland Ungarn als elften Satz seiner "Musica ricercata" für Klavier komponierte. Ligeti selbst bearbeitete für Orgel das kurze, geheimnisvolle Klavierstück gleich im Entstehungsjahr. Seine damalige Tonsprache lehnte sich an Strawinsky und Bartók an und bewegte sich innerhalb der stilistischen Grenzen, die einem Komponisten unter den damaligen politischen Umständen vorgegeben waren. Die Idee bestand darin, jedes Stück aus wenigen Elementen zu entwickeln, die auf einem begrenzten Tonvorrat basieren: So ist Nr. 1 eine Invention über einen Ton, Nr.2 über zwei Töne usw. Nr. 11 ist schließlich eine kunstvoll und streng durchgeführte Fuge über ein Thema aus den "Fiori Musicali" von Girolamo Frescobaldi (1635); in seinem Ricercare cromatico (= im Frühbarock ein langsames, vokal angelegtes kontrapunktisches Orgelstück) verwendet Frescobaldi ein für seine Zeit extrem atonal geprägtes Thema, das Ligeti von 6 auf 13 Töne erweitert.
Ansgar Schlei

William Byrd (1542/3-1623): Ave verum corpus


Geboren Ende 1542 oder Anfang 1543 in London, zählte William Byrd zu den bekanntesten Komponisten im Zeitalter der Königin Elisabeth und galt zusammen mit 3 oder 4 anderen englischen Komponisten seit der Rennaissance zu den auch auf dem europäischen Festland bedeutendsten Vertretern seiner Heimat. Als ein Meister der Tasteninstrumente und des Madrigals, sowohl in lateinischer, wie auch in englischer Kirchenmusik, war er ein Organist und Mitglied der Chapel Royal. Die Aussagekraft seiner Werke überdauerte das Zeitalter des Barock wie das der Klassik bis in das heutige hinein.
aus dem Englischen

Felix Mendelssohn-Bartholdy (1809-1847): 1. Orgelsonate f-moll op. 65/I


Die f-moll-Orgelsonate - zusammengefasst 1844 - ist die erste einer Sammlung von insgesamt sechs Orgelsonaten Felix Mendelssohn-Bartholdys, die 1844/45 zusammengefasst wurden. Mendelssohn hat nicht einfach den klassisch-romantischen Sonatentypus auf die Orgel übertragen, sondern jeweils überwiegend früher komponierte Einzelsätze zu solchen Zyklen zusammengestellt, die den Hörer allenfalls an herkömmliche Sonaten erinnern.
Die Sonate f-moll beinhaltet vier Sätze. Der erste Satz - Allegro moderato e maestoso -, beginnend mit wuchtigen Akkorden und anschließenden fugierten Abschnitten, wird immer wieder unterbrochen mit Verszeilen des Chorals "Was mein Gott will, das g'scheh' allzeit". Der zweite Satz (Adagio) hat dialogisierende Manualwechsel und zeichnet sich durch kantable Linien aus.
Die Überlagerung von lauten und leisen Klängen - bereits im ersten Satz angewendet - wird im dritten Satz (Andante recitativo) geradezu zum Kompositionsprinzip. Attaca soll das Finale (Allegro assai vivace) angeschlossen werden, der brillant das Werk beschließen soll.
Ansgar Schlei

Robert Schumann (1810- 1856): aus "Missa sacra" op. 147


Die Missa-sacra op. 147 entstand zunächst in einer Fassung für gemischten Chor und Orchester in den Jahren 1851/52. Wenig später reduzierte der Komponist selbst den virtuosen, rhythmisch differenzierteren Orchesterpart auf eine schlichte Orgelbegleitung, die nur noch ein Minimum an musikalischen Ausdrucksmöglichkeiten enthält, um den Hörer die volle inhaltliche Essenz zu vermitteln. Sowohl im Kyrie wie auch im Gloria sind viele der für Schumann so bezeichnenden emotionalen Einbrüche oder unvorhersehbaren Stimmungsschwankungen in der Musik zu finden. Im 1. Satz lässt er z. B. alle Stimmen kurz hintereinander mit einem rufenden fordernden Kyrie im forte beginnen und wendet diese Phrase innerhalb nur eines Taktes in einen wehmütig weichen Charakter. Die archaische Schlichtheit der Choreinsätze beim Kyrie deutet bereits auf die in der Entstehungszeit beginnende Krankheit Schumanns hin.
Raphaela Martens

Ausführende:


Ansgar Schlei (Orgel) legte 2003 an der Hochschule für Musik und Theater Hannover sein Kirchenmusik-B-Examen erfolgreich ab und studiert derzeit Kirchenmusik (A) in Hannover u.a. bei Prof. Pier Damiano Peretti (Orgel) sowie Rechtswissenschaften an der Georg-August-Universität in Göttingen. Zudem ist er Kirchenmusiker in Bad Münder/Deister.

Sebastian Grünberg (Pachelbel, Byrd) ist seit 2002 Lehrbeauftragter für Chor- und Orchesterleitung in der Schulmusikabteilung an der Musikhochschule Hannover, wo er z.Z. auch den Hochschulchor leitet. 2003 übernahm er die Stadtkantorei Gehrden, mit der er in diesem Jahr die Es-Dur Messe von Schubert aufführte. Darüberhinaus war er 2002/2003 als Geigenlehrer an der Musikschule in Petershagen angestellt. Er arbeitet als freischaffender Bratschist, vor allem im Bereich der Barockmusik mit historischer Aufführungspraxis.

Raphaela Martens (Schumann) studierte zunächst in Dresden Dirigieren, Schwerpunkt Chorleitung und setzt dies seit April 2003 in Hannover fort. Außerdem leitet sie verschiedene Chöre im Umkreis von Hannover und ist als Cellistin freischaffend tätig.

Das Chorensemble der HMT Hannover setzt sich aus Studierenden der Hochschule, vorwiegend aus dem Studiengang Schulmusik zusammen. Es bildet sich jedes Semester neu und erarbeitet unter Leitung der Professoren für Chorleitung oder deren Schülern anspruchsvolle Chorliteratur von der Renaissance bis zur Gegenwart.

Sopran:


Hannah-Mareike Batzilla, Claudia Gottschalk, Janka Gottschalk, Maria Lange, Kirsten Rummel, Johanna Schüler

Alt:


Joana Calomfriesen, Alenka Gottschalk, Johanna Krödel, Kerstin Leefers, Anna Rogozia, Julia Wolf

Tenor:


Bernd Arnke, Johannes Knauer, Philipp Krome

Bass:


Dominik Avenwedde, Marcus Aydintan, Christian Beyer, Daniel Eggert, Johannes Gruber, Hanno Holm, Henning Klingemann

Wir danken der Kirchengemeinde St. Augustinus und ihrem Organisten Winfried Dahn für die freundliche Unterstützung bei der Ermöglichung dieses Konzerts.

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Hettwer/Nöthel 2004